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Steigende Studienanfängerzahl: Drohende Ungleichgewichte zwischen beruflichen und akademischen Fachkräften

5.5.2014

Zur Publikation „Zur neuen Konstellation zwischen Hochschulbildung und Berufsausbildung“

Immer mehr junge Menschen erwerben eine Studienberechtigung und entscheiden sich im Anschluss daran für ein Studium, ein kleiner werdender Anteil für eine Berufsausbildung. In einer aktuellen Studie gehen das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung in Hannover (DZHW) sowie das Soziologische Forschungsinstitut an der Georg-August-Universität Göttingen (SOFI) der Frage nach, welche Folgen diese Entwicklung für die deutsche Wirtschaft haben kann. Denn diese war in der Vergangenheit durch ein effektives Zusammenspiel von akademisch ausgebildeten Ingenieuren und beruflich qualifizierten Fachkräften besonders erfolgreich.

Im Jahr 2011 lag erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik die Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger mit etwa 500.000 gleich hoch wie die der Jugendlichen, die eine duale Berufsausbildung begonnen haben (Abb. 1). Dabei galt über viele Jahrzehnte, dass deutlich mehr Schulabgängerinnen und Schulabgänger in das duale Berufsausbildungssystem als in die Hochschulen streben.

Brisanz erhält diese Entwicklung veränderter Bildungs- und Ausbildungspräferenzen mit Blick auf den demografischen Wandel. Dieser wird in Deutschland dazu führen, dass die Zahl der Personen im besonders bildungsrelevanten Alter (unter 30 Jahre) von knapp 25 Millionen im Jahr 2010 auf 19,5 Millionen im Jahr 2035 (minus 21,6 %) sinkt. Das deutsche Produktions- und Innovationsmodell, das der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten eine Spitzenposition in der Welt gesichert hat, basiert aber auf dem Zusammenspiel von hochqualifizierten Fachkräften mit Hochschulabschluss und gut ausgebildeten Facharbeiterinnen und Facharbeitern. Als unerwünschter Nebeneffekt einer eigentlich begrüßenswerten verstärkten Studierneigung könnte daher ein Mangel an Fachkräften aus dem dualen Berufsbildungssystem auftreten – mit negativen Folgen für die deutsche Wirtschaft. Diese Entwicklung wird verschärft, wenn es nicht gelingt, das über lange Zeit vernachlässigte Potenzial der Jugendlichen mit maximal Hauptschulabschluss besser zu qualifizieren und in berufliche Ausbildungen zu bringen.


Abb. 1: Neuzugänge zu den Sektoren vollqualifizierender beruflicher Bildung und zum Übergangssystem 1995 bis 2012

Die Studie zeigt, zu welchen Anteilen sich Studienberechtigte in den letzten 20 Jahren zwischen beruflicher Ausbildung und Studium entschieden haben. Insgesamt entschieden sich in den letzten Jahren etwa ein Viertel der Studienberechtigten (zunächst) für eine berufliche Ausbildung. Weil die Zahl der Studienberechtigten in den letzten Jahren jedoch stark gestiegen ist, ist ihre Zahl auch in der beruflichen Bildung leicht gewachsen (plus 5,5 %). Dabei konzentrieren sich die Studienberechtigten, die eine berufliche Ausbildung aufnehmen, auf wenige kaufmännische und IuK-Berufe.

Die Entscheidung für ein Studium ist trotz der möglicherweise guten Perspektiven auch nach einer beruflichen Ausbildung durchaus rational. Mit einem Studium verbinden viele Jugendliche gegenüber einer Berufsausbildung vielfältige Vorteile – von besseren Karrierechancen über ein höheres Einkommen bis zu einer einflussreicheren Position und einem langfristigen Schutz vor Arbeitslosigkeit (s. Abb. 2). „Betrachtet man die langfristigen Arbeitsmarkterträge einer beruflichen Ausbildung und eines Studiums zehn oder 20 Jahre nach Erwerb der Studienberechtigung, so zeigt sich, dass Personen mit einem Studium deutlich besser abschneiden, beispielsweise beim Einkommen oder der beruflichen Stellung“, resümieren die Autoren.


Abb. 2: Erwartete Vorteile von Studium und Berufsausbildung

Insgesamt plädieren die Autoren dafür, die Durchlässigkeit von beruflichen Qualifizier-ten in ein Studium zu erhöhen, um die Attraktivität des dualen Ausbildungssystems zu steigern und einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken: „Es kommt darauf an, den Auszubildenden die Möglichkeiten für ein späteres Studium nicht zu verbauen und sie stärker als in der Vergangenheit zu fördern, um die berufliche Ausbildung nicht als Sackgasse erscheinen zu lassen“. Denn es sind gerade jene Studienberechtigten, die sich für eine berufliche Ausbildung entschieden haben, die später ein sehr hohes Interesse an beruflicher Fortbildung und Weiterqualifizierung haben.

Weitere Möglichkeiten der Verbindung von beruflicher und hochschulischer Qualifizie-rung sind das duale Studium und der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte ohne schulische Studienberechtigung. Auch wenn es sich hier noch um noch relativ wenig genutzte Wege handelt, bilden sie für kleinere Gruppen von Studieninteressierten dennoch interessante Perspektiven, beide Welten – berufliche Qualifizierung und Studium – miteinander zu verbinden.

Die Studie ist als Forum Hochschule 3/2014 erschienen und zum kostenfreien Download verfügbar.

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