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Spaniens Hochschulsystem steht vor großen Herausforderungen

22.2.2013

Infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise hat die konservative Regierung des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy dem Land einen harten Sparkurs verordnet. Davon betroffen ist auch das Bildungswesen, das Einsparungen in Höhe von drei Milliarden Euro verkraften muss. Schüler(innen) und Studierende, Lehrer(innen) und Dozent(inn)en demonstrieren seit Monaten gegen den Sparkurs der Regierung. Hohe Studienabbruchquoten und eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit deuten auf Reformbedarfe des spanischen Bildungs- und Hochschulsystems hin.

Eigentlich ist es eine Erfolgsgeschichte: Die Zahl der Studierenden an spanischen Hochschulen steigt. Zuletzt erreichte sie 1,5 Millionen und hat sich damit im Vergleich zum Jahr 1975 versiebenfacht. In Zeiten tiefgreifender Einsparungen und einer Verkleinerung des Bildungsetats stellen sich aber schnell finanzielle Fragen angesichts der wachsenden Studierendenzahl.

Die Regierung Rajoy möchte die Studierenden daher über eine Erhöhung der Studiengebühren stärker an den Kosten ihrer Ausbildung beteiligen. Während bislang 15 % der durchschnittlichen jährlichen Kosten eines Studienplatzes über Gebühren finanziert wurden, sind es gegenwärtig bereits 25 %. Bei einem Zweitstudium steigt der privat finanzierte Anteil auf 40 %; ein Drittstudium muss zu 75 % über Studiengebühren finanziert werden. Gegen die Erhöhung der Studiengebühren gingen Studierende und Lehrende jüngst in Madrid auf die Straße. Unter winterlichen Temperaturen hielten sie Vorlesungen unter freiem Himmel ab.

Bildungsminister José Ignacio Wert weist die Vorwürfe der Demonstrant(inn)en, er wolle die staatlichen Hochschulen schrittweise privatisieren, zurück: „Die Zuwendungen der öffentlichen Hand für unsere Hochschulen liegen auf OECD-Niveau.“ Aus seiner Sicht müssen die spanischen Universitäten fit für den internationalen Wettbewerb gemacht werden: „Unter den 150 besten Universitäten der Welt ist keine einzige spanische vertreten“, beklagt Wert.

Kritisch sieht der Minister auch den hohen Studienabbruch, der im Schnitt bei 30 % liegt. „Wir verlieren Investitionen von 2,9 Milliarden Euro, die wir nicht mehr zurückbekommen“, sagte Wert in einem Zeitungsinterview. Er bemängelte zudem die Leistung der Studierenden: Nur ein Drittel schaffe den Studienabschluss im ersten Anlauf, der Rest müsse ein Semester wiederholen.

Selbst wenn das Studium erfolgreich gemeistert ist, gestaltet sich der Berufseinstieg für viele spanische Absolventinnen und Absolventen schwierig. Spanien ächzt unter einer sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit von 55 %. Viele Jungakademiker(innen) suchen daher ihr Glück im europäischen Ausland. Ingenieur(inn)e(n) zieht es häufig nach Deutschland, Ärzt(inn)e(n) nach Großbritannien. Besonders schwer haben es Absolvent(inn)en in Fachrichtungen wie Jura oder Sozialwissenschaften, in denen es auf dem Arbeitsmarkt bereits einen Personalüberhang gibt, die sich bei den Studienanfänger(inne)n jedoch weiterhin großer Beliebtheit erfreuen. Immer weniger Studienanfänger(innen) entscheiden sich hingegen für naturwissenschaftliche oder technische Studiengänge.

Angehende Studierende sollen daher künftig besser auf die Studienwahl vorbereitet werden. „Die Schulabgänger haben nur sehr oberflächliche Vorstellungen von dem, was sie im Studium erwartet, sie bräuchten vorab viel mehr Informationen“, erläutert Ignacio Lumbier, Professor an der Polytechnischen Universität in Madrid. Viele Studierende würden daher schon im ersten Semester das Handtuch werfen.

Die Orientierung wird den Studierenden auch durch ein wahres Dickicht an verschiedenen Abschlüssen erschwert. „Wir haben zu viele Masterstudiengänge in zu kurzer Zeit aufgebaut und wissen nicht einmal, ob die Nachfrage groß genug ist, um die hohen Fixkosten zu rechtfertigen“, meint etwa Juan Hernández Armentero, Professor an der Universität Jaén. Die spanische Rektorenkonferenz hat daher eine Expertenkommission damit beauftragt, das spanische Hochschulsystem zu durchleuchten.

Um die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern, will die Regierung Rajoy bereits bei den Schulen und in der beruflichen Ausbildung ansetzen. Gegenwärtig befindet sich ein Gesetzentwurf zur Verbesserung der Qualität der Erziehung im parlamentarischen Beratungsprozess. Die Regierung will hierfür 400 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

In der beruflichen Bildung will sich Spanien verstärkt am deutschen Modell der dualen Ausbildung orientieren. So vereinbarten im Juli 2012 Wert und seine deutsche Amtskollegin Annette Schavan eine enge Kooperation in der beruflichen Bildung. Deutsche und spanische Unternehmen sollen beim Aufbau einer am dualen System orientierten Ausbildung in Spanien eng zusammenarbeiten. „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem deutschen dualen Berufsbildungssystem gesammelt. Spanische Unternehmen, die in Deutschland eine Niederlassung haben, sind wichtige Botschafter. Und deutsche Unternehmen stehen auch in Spanien bereit, nach diesen Grundsätzen auszubilden“, sagte Schavan anlässlich des Treffens mit Wert. Die VW-Tochter Seat hat in Barcelona den Anfang gemacht und bildet Jugendliche seit Herbst 2012 dual aus. „Wenn die Firmen hierzulande erst einmal merken, wie viele Vorteile die duale Berufsausbildung ihnen bringt, dann fasst sie auch hierzulande richtig Fuß“, gibt sich der Präsident der spanischen Handelskammern, Manuel Teruel, optimistisch. (tm)

Quellen: Welt online, BMBF

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