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Faktoren für die Rezeption von zurückgezogenen Publikationen

Projektbeginn: 01.03.2018 - Projektende: 30.04.2018

Publikationen werden offiziell zurückgezogen, also durch das Format einer Retraction Notice von Verlegern, Editoren oder Autoren für ungültig erklärt. Als Reaktion auf nachgewiesene Verstöße gegen die Forschungsintegrität wie Fabrikation, Fälschung, Plagiat oder Genehmigungsverstöße, aber andererseits auch auf den sogenannten ehrlichen Fehler, der eine Publikation in ihren wesentlichen Aussagen betrifft, sollen die betroffenen Arbeiten virtuell, nicht manifest aus dem Publikationskörper entfernt und aus diesem Verständnis heraus auch nicht mehr zitiert werden.

Retractions werden in Datenbanken wie PubMed, aber auch Web of Science, indexiert und die dazu gehörigen Publikationen in der Regel als retracted gekennzeichnet. Damit einhergehend sind Retractions zum Forschungsobjekt eines interdisziplinären, vorwiegend empirisch-quantitativen Forschungsfeldes geworden. Dieses Forschungsfeld verwendet Retractions – obschon konzeptuell nicht auf Fehlverhalten beschränkt – meist implizit oder explizit als Indikator für Fehlverhalten. Viele dieser Studien befassten sich insbesondere mit der Prävalenz von Retractions, Eigenschaften von zurückgezogenen Publikationen und Faktoren für die (Zeit bis zur) Retraction. Darüber hinaus wurden Auswirkungen auf Kooperationsnetzwerke sowie Zitationsverluste, die auf Ebene der betroffenen Publikationen selbst, Autoren und der betroffenen Sub Fields geschätzt werden, untersucht. Trotz dem Vorliegen vieler empirischer Einzelbefunde bleiben jedoch Antworten auf übergeordnete Fragestellungen, die für die Wissenschaftsforschung und -politik relevant sind – wie die Effektivität von Retractions oder das Ausmaß des Schadens, der von gefälschten oder fehlerhaften Publikationen ausgeht, einzuschätzen seien – letztlich oft unklar und einzelne quantitative Befunde widersprechen einander nicht selten.

Das hier im Folgenden beschriebene Publikationsvorhaben adressiert die Forschungsfrage: Lassen sich Faktoren für den Umgang der zitierenden (und kollaborierenden) Fach-Communities mit zurückgezogenen Publikationen bestimmen? Die empirische Grundlage ist die Tatsache, dass die Zitierung zurückgezogener Publikation nicht nur in einem geringeren Maße weitergeht, sondern der Rückgang auch nicht gleichmäßig ist. Ein kleinerer Teil der betroffenen Publikationen – oft mit vorhandenen Validitätsproblemen – generiert auch nach der Retraction und in z.T. langen Zeiträumen signifikante Zitationszahlen.

Die Fragestellung wird mit Hilfe einer Methodenkombination bearbeitet, die wesentlich auf einer elaborierten qualitativen Citation Context Analysis in Anlehnung an Cozzens (1985) basiert. Diese wird durch weitere bibliometrische Analysen ergänzt. Damit verbunden ist die Erwartung, präzisere und tiefergehende Erkenntnisse zu gewinnen, in welcher Form und ggfs. warum inkriminierte Publikationen weiter zitiert werden, wie sich das Zitationsverhalten inhaltlich, aber auch Ko-Zitationsmuster und Kollaborationsmuster mit der Retraction verändern und welche Schlussfolgerungen daraus für die Akzeptanz des Formats Retraction und die epistemischen Auswirkungen zurückgezogener Publikationen gezogen werden können; in einem weiteren Schritt wäre diese ggfs. übertragbar auf den Umgang mit problematischen Publikationen insgesamt, wie z.B. solche, die Teil der aktuell öfter diskutierten Reproduzierbarkeitskrisen sind.

Ansprechperson

Marion Schmidt
Marion Schmidt 030 2064177-32