Die Produktion wissenschaftlichen Wissens ist ein zentraler Motor gegenwärtiger Gesellschaften, was sich unter anderem an dem Ruf nach immer ‘mehr, und ‘besserem’ Wissen ablesen lässt. Doch wie entsteht gesichertes Wissen eigentlich? Zur Beantwortung dieser Frage hat sich die Wissenschaftsforschung umfangreich mit der Rolle und Bedeutung des wissenschaftlichen Forschungsartikels und der sich aus gegenseitigen Verweisen ergebenden Zitationsnetzwerke auseinandergesetzt.
Weitgehend unbeachtet blieb bisher jedoch der wissenschaftliche Überblicksartikel (review article) als weiteres Publikationsformat. Auf den ersten Blick fasst ein Überblicksartikel lediglich zusammen, was anderswo bereits publiziert wurde, und erscheint daher für die Produktion wissenschaftlichen Wissens als eher zweitrangig. Auf den zweiten Blick wird hingegen deutlich, dass dem Überblicksartikel eine entscheidende Gatekeeper- und Katalysatorfunktion zukommt, indem er gesichertes von ungesichertem Wissen trennt, bzw. überhaupt erst festlegt, was als gesichertes Wissen gelten soll und was nicht.
Unser Forschungsprojekt widmet sich speziell diesem Publikationsformat und fragt nach der Funktion, Rezeption und Performativität von Reviewliteratur in der Wissenschaft. Hierbei beachten wir auch den speziellen Kontext, in dem Wissenschaft heute zunehmend stattfindet, nämlich geprägt durch Versuche der effizienten ‚ökonomisierten‘ Steuerung unter Einführung neuer Metriken zur Vermessung von Forschungsqualität. Die Bedeutung von Reviews kann sich in diesem Kontext aufgrund der Rückwirkungen von bibliometrischen Metriken und Indizes ändern. In diesem Projekt werden daher nicht nur die unterschiedlichen Typen und Formen von Reviews feldvergleichend untersucht, sondern es werden auch die Anpassungseffekte dieser Metriken auf die Publikation und Vergabe von Reviews durch Herausgeber und Verleger genauer erforscht.
Zur Untersuchung dieser Forschungsfragen kommen unterschiedliche Methoden aus der qualitativen und quantitativen Sozialforschung, insbesondere Inhaltsanalysen, Experteninterviews, Zitationsnetzwerkanalysen und Textmining zur Anwendung. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.