Selbst- und Fremdsteuerung von Wissenschaft ist in erheblichem Maße auf Begutachtungsprozesse angewiesen, in denen Fachexpert*innen die Qualität von wissenschaftlicher Arbeit bewerten. Dieses Peer-Review-Verfahren ist als das zentrale Instrument wissenschaftlicher Qualitätssicherung sehr umstritten. Seit langem sind die Klagen zur Überlastung, Befürchtungen der Korrumpierung des Systems sowie Zweifel, ob dessen prinzipieller Funktionstüchtigkeit im wissenschaftspolitischen Diskurs omnipräsent. Ihm wurde unter anderem Partikularismus, Konservatismus, Fehleranfälligkeit und Ineffizienz vorgeworfen. Gleichwohl sind Peer-Review-Verfahren nach wie vor der etablierte Standard für qualitative Bewertungen wissenschaftlicher Leistung und scheinen bisher alternativlos.
Das Projekt befasst sich mit den vielfältigen Bewertungs- und Begutachtungsprozessen, die das Wissenschaftssystem auf verschiedenen Ebenen durchziehen und nimmt besonders deren Herausforderungen und Dilemmata in den Blick. Anhand von konkreten Fallbeispielen sollen in einer praxeologischen Analyse Bewertungspraktiken untersucht werden, um Verfahrensschritte sowohl in ihrer Konzeption als auch in ihrem Ablauf und der sich im praktischen Vollzug entfaltenden Dynamik differenziert zu erfassen. Zentrale Referenzen sind die breite Peer-Review-Forschung sowie die aktuellen Arbeiten im Rahmen der Sociology of valuation. Zudem lässt sich an die vielfältigen u.a. vom DZHW und iFQ durchgeführten Studien anschließen, in denen Begutachtungsprozesse im Zuge der Publikation in wissenschaftlichen Zeitschriften, der Akquise von Drittmitteln im Rahmen von Einzelförderungen ebenso wie von Verbundprojekten (SFBs, Exzellenzinitiativen u.a.) sowie im Rahmen von Qualifikationsarbeiten und Berufungsverfahren systematisch untersucht werden. Mit diesem Forschungsansatz gliedert sich das Projekt in das Themenfeld Bewertungspraktiken in der Wissenschaft ein.
Ziel des Projektes ist eine systematische Verfahrensanalyse von Begutachtungsprozessen in der Wissenschaft, um relevante Parameter zur Differenzierung und Typologisierung von Bewertungsverfahren herauszuarbeiten. Dabei fokussiert die Untersuchung die Relationen, in denen die Evaluationsverfahren zueinander stehen, um in der vergleichenden Analyse systematische Zusammenhänge und Anschlüsse verschiedener Verfahrensschritte zu ergründen, die für die Funktionstüchtigkeit des Begutachtungssystems in der Wissenschaft entscheidend sind.