Als "nicht-traditionelle Studierende" werden Personen bezeichnet, die ohne eine schulische Hochschulzugangsberechtigung aufgrund beruflicher Qualifikationen ein Studium aufnehmen. Diese Studierendengruppe hat in den letzten Jahren sowohl in der Hochschulforschung als auch bildungspolitisch an Aufmerksamkeit gewonnen. Das gewachsene Interesse an dieser Gruppe ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen:
- auf den demographischen Wandel, den für die Zeit nach 2015 erwarteten Rückgang der Studiennachfrage und den befürchteten Fachkräftemangel im Bereich hochqualifizierter Arbeit ("Bedarfskompensation")
- auf die ausgeprägten sozialen Disparitäten in der Beteiligung an Hochschulbildung ("Korrekturmechanismus")
- die neue "outcome"-Orientierung, die dazu führt, die alte institutionelle Segmentierung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung durch eine - Kompetenzorientierung zu überwinden ("Durchlässigkeit")
- schließlich auf das neue hochschulpolitische Interesse an "diversity", das auch die nicht-traditionellen Studierenden neben einer Vielzahl anderer Gruppen einschließt.
Das Vorhaben schließt an eine erste Untersuchungsphase an, in der es um die vorakademischen Werdegänge und die Studienverläufe nicht-traditioneller Studierender ging. Die Ergebnisse zeigen, dass nicht-traditionelle Studierende größere Schwierigkeiten beim Übergang an die Hochschule haben. Sie schließen jedoch rasch zu den traditionellen Studierenden auf, was ihren Studienfortschritt und die Studienleistungen betrifft. Zugleich zeigt sich eine etwas geringere Wahrscheinlichkeit, das Studium erfolgreich abzuschließen. Neben Leistungsproblemen spielen dafür auch Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Studium und familiären und beruflichen Verpflichtungen eine Rolle.
In der zweiten Untersuchungsphase stehen der Studienerfolg, gemessen an den Studiennoten, der Studiendauer und anderen Merkmalen des Studienverlaufs, sowie der Übergang nach dem Bachelorabschluss - in ein Masterstudium oder in eine Berufstätigkeit - im Zentrum des Interesses.
Der DZHW-Teil dieses Projektvorhabens, das erneut als Kooperationsprojekt mit der Humboldt Universität zu Berlin durchgeführt wird, basiert auf der Analyse der Daten der Studienanfängerkohorte des NEPS (Nationales Bildungspanel). Seit dem Wintersemester 2010/11 wird eine repräsentative Stichprobe von Studienanfänger*innen für das NEPS regelmäßig befragt, unter ihnen auch eine größere Gruppe nicht-traditioneller Studierender. Damit wird es erstmals möglich, die Bildungs- und Lebensverläufe nicht-traditioneller Studierender vor dem Studienbeginn, ihre Studienverläufe sowie die Übergänge nach dem ersten Studienabschluss und ihren späteren beruflichen Verbleib zu analysieren. Ein wichtiges Merkmal der NEPS-Daten besteht darin, dass ein direkter Vergleich der Studienverläufe nicht-traditioneller Studierender mit denen "traditioneller" Studierender, insbesondere solcher mit einer herkömmlichen schulischen Studienberechtigung (Abitur), möglich ist. Ergänzt werden die Auswertungen des NEPS durch umfassende Analysen hochschulstatistischer Daten sowie qualitative Interviews mit nicht-traditionellen Studierenden. Ziel des Projekts ist es, auf empirisch fundierter Basis Aussagen zu einem seit langer Zeit bildungspolitisch kontroversen Thema zu gewinnen, nämlich der Frage der (faktischen) Studierfähigkeit nicht-traditioneller Studierender.