Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW GmbH; vormals HIS GmbH) verfügt über eine jahrzehntelange Expertise zu den Ursachen und Motiven des Studienabbruchs sowie bei der Berechnung von Schwund- und Abbruchquoten. Zwischen den 1970er und 1990er Jahren etabliert das DZHW (HIS) Untersuchungsreihen zu den Ursachen des Studienabbruchs, dem weiteren Werdegang der Abbrecher(innen) sowie geeigneten Maßnahmen zur Verminderung von Studienabbrüchen. Diese Untersuchungsreihen werden seit Anfang der 2000er Jahre fortgeführt.
Mit dem in den 1990er Jahren vom DZHW entwickelten Berechnungsverfahren wird es erstmals möglich, auf der Basis des Absolventenjahrgangs 1999 differenzierte Studienabbruchquoten für Fächergruppen und ausgewählte Studienbereiche an Universitäten und Fachhochschulen vorzulegen. Diese Quoten werden mit nachfolgenden Absolventenjahrgängen kontinuierlich aktualisiert.
Das aktuelle, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Stiftung Mercator geförderte Projekt „Studienabbruch – Umfang und Motive“ folgt einem umfassenden und modularisierten Ansatz. In fünf Modulen wird das Thema Studienabbruch aus verschiedenen Blickwinkeln erforscht. Die Untersuchungsmodule laufen teilweise zeitlich parallel, so dass die jeweils gewonnenen Erkenntnisse fortwährend aufeinander bezogen werden können. Synergieeffekte zwischen den Modulen sind ausdrücklich Teil des Projektdesigns.
Modul: Entwicklung eines theoretischen Modells zum Studienabbruch
Bis heute liegt kein allgemeines theoretisches Modell zum Studienabbruch vor. Einschlägige Publikationen befassen sich zumeist empirisch mit dem Thema Studienabbruch, gehen dabei jedoch häufig nicht über eine Beschreibung des Phänomens hinaus. Vorhandene theoretische Ansätze umschreiben den Studienabbruch zumeist nicht als Ganzes, so dass wesentliche bzw. neue empirisch-evidente Faktoren unberücksichtigt bleiben.
Das aktuelle Studienabbruch-Projekt hat es sich daher zum Ziel gesetzt, unter Berücksichtigung der einschlägigen Forschungsliteratur und mit der Expertise aus vorigen Abbruchstudien, ein Theoriemodell zum Studienabbruch zu entwickeln, das dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit genügen kann. Erst durch die theoretische Abstraktion kann ein umfassendes Verständnis des Studienabbruchs als längerfristiger Prozess gelingen. Innerhalb des Moduls werden problemfokussierte Leitfadeninterviews mit Studienabbrechern geführt. Die gewonnenen Erkenntnisse setzen ebenso wie die Erkenntnisse aus der Aufarbeitung des Forschungsstands die Schwerpunkte für die Befragung der Exmatrikulierten.
Modul: Befragung von Exmatrikulierten
Die bundesweit repräsentative Befragung von Exmatrikulierten des Sommersemesters 2014 bildet den Kern des Projekts und gibt Aufschluss über den komplexen Prozess des Studienabbruchs. In einer quantitativen Befragung werden sowohl die Bildungsphasen vor dem Studium, die Studienaktivitäten und Studienbedingungen als auch die Entwicklung beruflicher Perspektiven nach der Studienaufgabe ausführlich erfasst. Dieses Modul ist eine Weiterentwicklung der Befragung von Exmatrikulierten des Studienjahres 2007/2008 (Heublein et al. 2010). Zentrale Forschungsfragen dieses Moduls sind:
- Was sind aus Sicht der Studierenden die gegenwärtigen Gründe ihres Studienabbruchs?
- Welchen Einfluss haben soziale Herkunft und Migrationshintergrund auf den Studienabbruch?
- Welchen Einfluss haben die jeweiligen Bildungswege der Studierenden auf den Studienerfolg?
- Welche Zusammenhänge zwischen bestimmten Studienbedingungen und Studienverhalten beeinflussen den Studienerfolg?
- Welche Differenzen bestehen in Bezug auf das Zusammenspiel zwischen Studienbedingungen und Studienverhalten zwischen den verschiedenen Fachkulturen?
- Wie haben die Studienabbrecher(innen) den Übergang vom Studium hin zu neuen Qualifikations- und Berufsperspektiven gestaltet?
- Welchen weiteren beruflichen Werdegang haben die Studienabbrecher(innen) ein halbes Jahr nach Exmatrikulation eingeschlagen und von welchen Faktoren ist dieser Werdegang abhängig?
Modul: Befragung von Fakultäten und Fachbereichen
Die bundesweit repräsentative Befragung von Fakultäten und Fachbereichen ausgewählter Studienbereiche (BWL, Germanistik und Physik an Universitäten sowie BWL und Informatik an Fachhochschulen) beschäftigt sich mit den fachspezifischen Maßnahmen zur Sicherung des Studienerfolgs, Fragen des Qualitätsmanagements und Vorstellungen über ‚best practices‘ in der Betreuung der Studierenden. Eine im Auftrag des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) durchgeführte Befragung von Fakultäts- und Fachbereichsleitungen aus zwei ausgewählten Studienbereichen im Jahr 2012 fungiert hierbei als Pilotstudie. Folgende Forschungsfragen werden innerhalb des Moduls bearbeitet:
- Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung haben die Fakultäten und Fachbereiche in den verschiedenen Studienphasen ergriffen?
- Mit welchen Indikatoren werden der Studienverlauf und die Entwicklung des Studienerfolgs kontrolliert?
- Welche Aktivitäten haben sich dabei bewährt?
- Was kann aus Sicht der Fakultäten und Fachbereiche als ‚best practice‘ gewertet werden?
- In welcher Weise kommt es zu einer Abstimmung zwischen Strategien, Vorgaben und Aktivitäten auf der Ebene der Hochschulleitung und der Ebene der Fakultäten und Fachbereiche?
- Von welchen Voraussetzungen ist das Qualitätsmanagement abhängig?
- Welche Hindernisse und Probleme gibt es bei der Entwicklung der Qualitätssicherung?
- In welchem Maß engagieren sich die Lehrenden?
- Welche Maßnahmen zur Sicherung des Studienerfolgs werden als besonders notwendig angesehen?
Modul: Befragung von zentralen Studienberatungen und Careercentern
Die Befragung von zentralen Studienberatungen und Careercentern widmet sich den Angeboten und Problemen in der Beratung von Studierenden, die einen Studienabbruch in Erwägung ziehen oder diesen bereits vollzogen haben. Zudem wird der Fokus darauf gelegt, inwieweit eine Neuorientierung auf Studium und Beruf unterstützt werden kann und welche Hindernisse insbesondere beim Übergang in Berufsausbildung und Berufstätigkeit bestehen. Die Analyseschwerpunkte dieses Moduls sind auf folgende Forschungsfragen gerichtet:
- Welches Angebot zur Beratung bei Studienabbruchgefährdung besteht?
- Wie wird dieses Angebot genutzt?
- Mit welchen Problemen kommen die betreffenden Risikostudierenden in die Beratung?
- Welche Orientierungen, auch im Sinn beruflicher Orientierungen, werden gegeben?
- Welche Angebote für die berufliche Neuorientierung bestehen?
- Welche von diesen Angeboten werden von den Studienabbrechern am stärksten genutzt?
- Welche Zusammenhänge zeigen sich dabei zwischen Fachkulturen und beruflichen Neuorientierungen?
- Welche Bedingungen bestehen für eine qualifizierte Beratungstätigkeit?
Modul: Schwund- und Abbruchquoten
Die Berechnung der Schwund- und Abbruchquoten auf Basis des Absolventenjahrgangs 2014 beruht auf einem durch das DZHW entwickelten Berechnungsverfahren, das ausgewählte Studienanfängerjahrgänge mit Absolventenjahrgängen in Beziehung setzt. Der letzte Bericht erschien 2014 und basiert auf Berechnungen für den Absolventenjahrgang 2012 (Heublein et al. 2014).