Ein Jahr Anerkennungsgesetz: 30.000 Anträge auf Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse
5.4.2013
Ein Jahr nach Inkrafttreten des sogenannten Anerkennungsgesetzes hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Bilanz gezogen: Nach Schätzung des Ministeriums wurden etwa 30.000 Anträge auf die Anerkennung der Gleichwertigkeit eines im Ausland erworbenen Berufsabschlusses mit dem deutschen Referenzabschluss gestellt. In einem Großteil der Fälle sei die volle oder zumindest die teilweise Gleichwertigkeit der ausländischen Qualifikation bescheinigt worden. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka bezeichnete das Gesetz als einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung. In vielen Bundesländern stehen allerdings entsprechende landesrechtliche Regelungen noch aus.
Das „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“, das am 1. April 2012 in Kraft getreten ist (s. Hochschulnachricht vom 4.4.2012), zeige Wirkung, sagte Wanka. Für die Ministerin steht das Gesetz für einen Paradigmenwechsel: „Wir setzen bei den Fähigkeiten und Potenzialen von Migrantinnen und Migranten an. Das Gesetz setzt ein Zeichen der Anerkennung im Sinne von Respekt und Wertschätzung der persönlichen Lebensleistung.“ Es sei darüber hinaus ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels.
Das Gesetz schafft erstmals einen Rechtsanspruch auf die Bewertung ausländischer Berufsqualifikationen. Dies gilt für alle Personen mit einem im Ausland erworbenen Abschluss, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus. Ergibt die Prüfung keine volle, sondern lediglich eine teilweise Gleichwertigkeit der ausländischen Qualifikation mit dem entsprechenden deutschen Berufsabschluss, enthält der Bescheid eine detaillierte Darstellung der vorhandenen und der noch fehlenden Qualifikationen. Der Antragsteller bzw. die Antragstellerin soll damit wichtige Hinweise für eine zielgerichtete Weiterqualifizierung erhalten. Eine einmal festgestellte Gleichwertigkeit gilt für ganz Deutschland.
Der Geltungsbereich des Anerkennungsgesetzes erstreckt sich allerding nur auf bundeseinheitlich geregelte Berufe wie Arzt/Ärztin oder Rechtsanwalt/Rechtsanwältin. Berufe, die in die Zuständigkeit der Länder fallen, wie Lehrer(in) oder Ingenieur(in), sind von dem Gesetz ausgenommen. Die Länder hatten bei Inkrafttreten des Gesetzes allerdings angekündigt, ihre Landesgesetze ebenfalls entsprechend anzupassen. Birgitta Wolff, Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin in Sachsen-Anhalt, bestätigte diese Woche, dass der Bedarf auch im landesrechtlich geregelten Bereich groß sei. Sie sieht die Länder hier aber auf einem guten Weg. In Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland seien Anerkennungsgesetze in Kraft getreten. In Bayern und Nordrhein-Westfalen würden die Landtage entsprechende Gesetzentwürfe derzeit beraten, in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein lägen Referentenentwürfe vor.
Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), mahnte an, dass eine Einheitlichkeit und Qualität des Vollzugs in den Ländern dringend sichergestellt werden müsse. Er erinnerte an den besonders gravierenden Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen. „Wir brauchen in Deutschland insgesamt eine glaubwürdige Willkommenskultur, damit jede ausländische Fachkraft schon beim ersten Kontakt mit deutschen Behörden und Unternehmen auch im Umgangston spürt: Du wirst gebraucht und bist uns sehr willkommen“, so Clever.
Nach Schätzungen des BMBF wurden seit Inkrafttreten des Gesetzes rund 30.000 Anträge auf Anerkennung gestellt. Damit hätte etwa jede(r) Zehnte der direkt Antragsberechtigten einen Antrag eingereicht. Die Länder gehen für den Zeitraum von April bis Dezember 2012 allein von mehr als 20.000 Anträgen in den Gesundheitsberufen aus. Für zwei Berufe liegen bereits konkrete Zahlen vor: So wurden von April 2012 bis Februar 2013 fast 12.000 Anträge von Ärzt(inn)en und Krankenpfleger(inne)n gestellt. Großes Interesse gebe es auch in den Ausbildungsberufen, wie z. B. Kaufmann/Kauffrau, Mechaniker(in), Elektriker(in). In diesen Fällen sind für das Anerkennungsverfahren die Kammern zuständig, bei denen im vergangenen Jahr fast 4.000 Anträge eingingen. Am häufigsten nachgefragt seien Anerkennungen in kaufmännischen sowie in Metall- und Elektronikberufen.
In einem Großteil der Fälle sei eine volle oder zumindest eine teilweise Anerkennung festgestellt worden, erklärte Wanka. Im Zuständigkeitsbereich der Kammern wurde in 66 % der Fälle die volle, in 30 % der Fälle die teilweise Anerkennung bescheinigt. Lediglich vier Prozent der Anträge wurden abgelehnt. „Auch eine bescheinigte Teilgleichwertigkeit bringt den Antragstellern erhebliche Vorteile“, betonte Wanka. Die im Bescheid enthaltene Darstellung der vorhandenen Qualifikationen und Unterschiede zum deutschen Referenzabschluss reiche häufig aus, um Arbeitgeber vom Wert der ausländischen Qualifikation zu überzeugen. Darüber hinaus zeige sie Anknüpfungspunkte für eine gezielte Weiterbildung auf.
Für Interessentinnen und Interessenten betreibt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Auftrag des BMBF das Portal „Anerkennung in Deutschland“, das alle relevanten Informationen und Anlaufstellen bündelt. Bis Mitte März haben nach Angaben des BIBB rund 360.000 Personen das Portal genutzt. Mit Hilfe des „Anerkennungs-Finders“ wurden schätzungsweise 130.000 Personen an die für sie zuständige Stelle weitervermittelt. Die Nutzerinnen und Nutzer des Portals kommen den Auswertungen zufolge in der überwiegenden Mehrzahl aus europäischen Ländern – vor allem aus Portugal, Spanien, Polen, Rumänien, den Niederlanden und Italien. Etwas mehr als ein Fünftel stammt aus so genannten Drittstaaten wie der Türkei, Russland und Indien. BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser kündigte eine neue Informationsoffensive in neun Sprachen an, um noch mehr Menschen die Chancen des Anerkennungsgesetzes zu vermitteln. (tm)
Quellen: BMBF, BIBB, SZ